Durch das Amazonasbecken (vom 08.04.2017)
Peru ist groß, sehr groß! Und es hat mindestens drei Gesichter: die Costa, die Sierra und die Selva. So lautet die klassische Einteilung für Küste, Bergland und Amazonasbecken.
Die grüne Amazonasebene mit ihren derzeit kakaobraunen Zuflüssen Rio Maranon und Rio Huallaga haben wir ja schon oben beschrieben. Auch die miese Piste auf der "PE5", einer DER drei Hauptverbindungsstraßen im Norden. Dann steigt die Straße in tiefen Kerbtälern langsam an und das Klima wird angenehmer. Dabei wird die Landschaft deutlich abwechselungsreicher.
Inzwischen hatten wir in Peru schon oft die Begegnung mit freundlichen Polizisten und Militärkontrollen. Immer wurden wir mit Handschlag begüßt und verabschiedet. "Chau linda", hieß es mit Handschlag quer durch das Auto auf die rechte Seite. Doch dann kommen wir in eine größere Kontrolle südlich von Huanago. Der Polizist fängt korrekt mit einer Kontrolle unserer Kopien von Fahrzeug, Fahrerlaubnis und Einreisepapieren an. Dann möchte er den Feuerlöscher sehen und dessen Kontrolltermin(!). Das spanische Wort "botiquin" für "Arzneischrank", alias "Verbandkasten" war uns bisher nicht geläufig. Er wedelt mit seinem Strafzettel (den man sicher ganz einfach vermeiden kann, denn das war seine Absicht). Ein freundlicher, jüngerer Polizist wendet sich schon ab und fasst sich mit beiden Händen an den Helm. Natürlich haben wir auch einen Verbandkasten und statt einer Multa (Strafzettell) können wir den Verbandkasten zeigen. So geht der korrupte Polizist leer aus.
In den Städten herrscht auf den Straßen das ganz normale Chaos. Tuctucs, also die dreirädrigen Gefährte, verhalten sich wie ein Fischschwarm. Tauchst du ein, öffnen sie sich und schließen sich wieder hinter dir. Zögerst du, umfahren sie dich und schließen sich wieder vor dir. Nun, Peru ist ja auch die zweitgrößte Fischereination nach China, vielleicht liegt das ein wenig daran. Niemand scheint sich für Verkehrsregeln zu interessieren, auch nicht die Polizei. Das ist uns zwar nicht ganz neu, ist aber in Peru ziemlich ausgeprägt.
Hochland (vom 08.03.2017)
Über einen Pass geht es hinauf auf 4360m, dahinter würden wir normalerweise wieder eine Passabfahrt erwarten. Nicht so in Peru, die erreichte Hochebene erstreckt sich über hunderte Kilometer auf einer Höhe zwischen 4100 und 4200 Metern! Wir kaufen leckeren, handgeschöpften Hochlandkäse bei den indigenen Bewohnern, die sich hier überwiegend von der Viehzucht ernähren. Hier oben gibt es eine fantastische Ruhe und eine einzigartige Landschaft!
Wir kontrollieren unsern Kraftstoffverbrauch. Statt der üblichen 11,5 bis 12 Liter verbrauchen wir nun 12,5 bis 13 Liter. Das sind keine 10 Prozent mehr. Ob der Mehrverbrauch der Höhe, dem peruanischen "DB5"-Kraftstoff oder den Passfahrten zuzuschreiben ist, wissen wir nicht. Aber wir sind damit sehr zufrieden, denn aus anderen Berichten hörten wir zum Teil von einer Verdopplung des Verbrauchs. Eine Verdopplung lässt sich beim Überholen eines Lastwagens mit schwarzer Rußfahne allerdings auch recht leicht nachvollziehen. Ob unser Elektronikauto tatsächlich die Kraftstoffzufuhr entsprechend veringert? Ob der DPF den Qualm nur herausfiltert und bald zusitzt? Und dann vielleicht erfolgreich regeneriert? Den Programmierer können wir leider nicht fragen. Jedenfalls merken wir beim Anfahren den Leistungsverlust in der Höhe deutlich, bis der VTG-Turbo auf Drehzahl kommt und es ziemlich egal ist, ob der Wagen mit 100, 120 oder 140 kW angetrieben wird.
Erzabbau und Edelmetallgewinnung sind der Exportschlager Perus. Cerro de Pasco ist die Erzgewinnungsstadt im Hochland. Ganze Bergkuppen werden hier abgetragen. Oroya ist das Metallurgiezentrum mit den gesundheitlichen Folgen für Mensch und Umwelt. Die riesige Industrieanlage liegt mitten in der Stadt! Vieles wie bei uns vor 50 bis 100 Jahren!
Klosteranlage von Ocopa (vom 08.04.2017)
Nur etwa 50 Topes (in Peru ging der Mist wieder verstärkt los!) - das sind etwa 5 Kilometer - von der Hauptstraße entfernt liegt die Kolsteranlage der Franziskaner von Ocopa. Von hier aus wurde nach dem Eindringen der Spanier die ganze Selva mehr oder weniger erfolgreich missioniert. Manchmal haben die Eindringlinge aber auch ganz schön was auf die Mütze bekommen, wie man auf den Gemälden sehen kann. Wir erhalten von einer kundigen jungen Frau eine Privatführung auf Spanisch, von dem wir inzwischen tatsächlich einen großen Teil verstehen können. Besonders aussagefähig finden wir die Replika einer alten Landkarte aus dem 17ten Jahrhundert, auf der das Zielgebiet Peru abgebildet ist und ein Mönch mit einem Kreuz in der Hand bei Ocopa dargestellt wird. Der Schatten des Kreuzes leuchtet in gelb über die gesamte Selva!
Das klostereigene Museum zeigt Exponate und Tierpräparate aus dem gesamten Amazonasgürtel, eigentlich ungewöhnlich für ein Kloster.
Wir dürfen die aus dem Mittelalter stammende Klosterbibliothek besuchen! Uns beiden kommt bei dem Anblick so vieler, mit giftiger Tinte handgeschriebener Bücher sofort "Der Name der Rose" in den Sinn. Die Bibliothek umfasst alle möglichen Sparten, von religiösen Inhalten über "Sprachen" bis zu den "Schönen Künsten". In der Klosterkirche steht eine der drei deutschen Orgeln Perus inmitten eines handgeschnitzten Gestühls. Und natürlich darf die Weinstube nicht fehlen! Zum Ende der Führung wird für uns die Glocke im Innenhof des alten Klosters geläutet.
Von Huancayo nach Cuzco (vom 08.04.2017)
Die Kartenwerke von Peru sind insgesamt nicht besonders gut und vor allem nicht aktuell. Navigationssysteme schicken einen schon mal auf abenteuerliche Wege, die gar nicht existieren. So passiert es, dass "gelbe" Straßen dargestellt sind, wo nie ein Weg war, "weiße" Straßen zweispurig sind und rote Straßen einspurig und ohne Asphaltdecke sind. Flussdurchfahrten sind für hiesige PKW und Reisebusse sowieso ganz normal.
Der Nomenklatur nach entspricht die PE3, auf der wir unterwegs sind, in etwa unserer deutschen Bundesautobahn A3. Vom Ausbau her gibt es doch gewisse Unterschiede ;-). Trotz Abgleichens verschiedener Datenbasen geraten wir zwischen Huancayo (dem Himmel sei es gedankt, dass wir dieser Stadt entkommen sind) und Ayacucho in das Flusstal des Rio Mantaro. So ist es auch ausgeschildert. Die Alternative hätte über eine schmale Brücke geführt, wobei die Trasse bergauf auf der anderen Seite nicht so schlecht aussah. Wie auch immer, du fährst ein Stück hinein, noch ein Stück und denkst, das soll so die nächsten 240 Kilometer weiter gehen? Stell dir vor, du möchtest von Duisburg nach Frankfurt und musst die ersten zwei Drittel über die Tannenstraße (ein schmaler Waldweg in unserer Heimat)! Zweimal queren wir doch den Fluss, dann kommt ein kleiner Ort mit einem Polizisten, der das macht, was ein Polizist so zu tun hat: "Vor der Tür stehen". Den fragen wir und er meint, wir seien schon richtig hier, die Alternative zurück sei nicht besser. Ein paar Stunden am Fluss lang und dann wir die Straße etwas besser. Am Fluss lang bedeutet aber hier, dass es kaum Passagen gibt, wo der Gegenverhehr passieren kann, Leitplanken oder Ähnliches komplett fehlen und an allen ganz schmalen Stellen der Asphalt fehlt. Wir sind auf der linken Seite des Flusses unterwegs und haben den teils mehrere hundert Meter senkrecht fallenden Hang zu rechten. Entgegen kommende LKW meinen offenbar, es reiche vollkommen aus, wenn die Hälfte unserer äußeren Reifen noch auf der Straße sind. Das beschreibt etwa, woran wir uns in den nächsten Fahrstunden mit einer Zwischenübernachtung gewöhnen. Schließlich wollen wir nicht in dem tief unter uns liegenden, schlammigen Fluss landen. Dann die erfreuliche Überraschung: der Polizist behält recht! Nach einem kleinen Ort geht die Straße auf der anderen Seite einer Hämgebrücke tatsächlich zweispurig weiter und führt uns in die unglaublich unübersichtliche Stadt Ayacocha. Im Zentrum angekommen, bemühen sich die Leute, uns den Weg nach Cuzco zu erklären. Im Nachhinein müssen wir sagen, dass dies völlig unmöglich war. Die Stadt ist extrem unübersichtlich und verbaut. Es geht grob in Richtung Flughafen, der mitten in der Stadt liegt! Schlaglöcher sind das nicht mehr, eher Offroad zwischen Häusern. Kein Witz! Im Zielgebiet zum Anschluss nach Cuzco fragen wir sehr nette Tuctuc-Fahrer nach dem Weg. Wir trauen unseren Karten nicht mehr und werden auf die relativ neue, zweispurige Hochandenstraße verwiesen.
Welch ein Genuss, glatter Aspalt und eine ganze Spur für sich alleine! Es geht hinauf in ein glazial geformtes, grasbewachsenes Hochmassiv, um die 4200 Meter, dem wir über 100 Kilometer folgen. Vor uns liegt ein Tal. Und was für eins! Serpentinen schlängeln sich hinab und als wir schon über 1000 Meter hinabgefahren sind, liegt immer noch ein überwältigend tiefes Tal vor uns! Die unfotografierbaren Dimensionen sind hier in den Anden so groß, dass uns der Grand Canyon plötzlich wie ein Kinderspielplatz erscheint. Nach vielen weiteren Straßenwindungen sind wir endlich am Rio Pampas angekommen und finden einen romantischen und erholsamen Lagerpatz am Fluß.
Wieder geht es hinauf und hinunter. Heute messen wir die Fahrleistung in Höhenmetern. Bald sind wir auf 4300 Meter, dann wieder auf 1800 Meter Höhe, dann wieder hinauf ... Dass dabei die eine oder andere Kurve zu fahren ist, akzeptieren wir ja. Aber nicht die Topes! Peru ist nach Mexiko Topesnation Nummer Zwei! Dauernd müssen wir die Geschwindigkeit auf Null senken und wieder anfahren. Bergauf macht das in der Höhe erst recht keinen Spaß, weil der Turbodiesel untenrum nun mal nichts bringt. Bergab müssen dafür die Bremsen leiden. Und wie schnell ist so ein Miestvieh von Topes übersehen! Wir kommen auch durch einige Städte, doch keine hat auch nur ansatzweise eine Umgehung, immer geht es mitten durch! Auch die Lastwagen quälen sich unter Absonderung von schwarzen Wolken durch das Zuhause vieler Menschen.
Das Schöne an dieser Strecke ist, dass wir sehr viel von der Andenlandschaft genießen und die Welt ein wenig von oben betrachten. Auf einer der Hochebenen liegt sogar Schnee auf den Wiesen. Auf der Küstenroute hätte uns vermutlich viel Schlamm und Müll erwartet. Wer aber sagt, der Norden Perus sei schmutzig, der ist sicher nicht die Ostroute gefahren!