Lagunenroute, Bolivien

Banff, Kootenay und Joho (vom 10.08.2016)


Es wartet ein großes Wandergebiet darauf, von uns erkundet zu werden. Die Rocky Mountains auf vier Nationalparks und zwei Provinzen aufgeteilt. Banff, Kootenay, Joho und Jasper bzw. die Provinzen Alberta sowie British Columbia ("BC", wie man hier sagt). Da hier ein See schöner als der andere und ein Berg schroffer als der Nächste ist, erspare ich mir hier die Aufzählung aller Wandererlebnisse. Jedenfalls zeigt sich das Wetter besser als angesagt. Das heißt, dass wir bisher gerade mal an zwei Abenden bzw. in der Nacht Regen hatten und nur eine halbe Wanderung verregnet war. Vor allem gibt es hier im Gebirge äußerst lokale Wetterereignisse. Da fährt man in der Sonne los, plötzlich ist die Straße nass und kurz darauf regent es wie aus Eimern. Drei Kilometer weiter bleiben Straße und Wanderer wieder völlig trocken. Wie immer muss man eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.

Natürlich gibt es hier gerade im Juli und August jede Menge Menschen, die die Berge bewundern wollen. Aber alle auf ihre Art. Vor allem die Menschen, die den Reisebussen erfolgreich entflohen sind, neigen dazu, schnell bis zum See oder zum ausgewiesenen Viewpoint zu gehen, um das Grinseselfie zu machen oder im Shop noch schnell ein Parfüm oder ein Badetuch (oder etwas Anderes, das man direkt einem Urlaub in den Bergen zuordnen würde) zu kaufen und dann schnell wieder zum Bus zu laufen. Der nächste Wassserfall wartet schließlich.
Geht man allerdings ein paar hundert Schritte, findet man nur noch Wandersleute und teilt sich mit diesen den schönen Blick auf Berge und Gletscher.

Besonders begeistert hat uns der Takakkaw-Wasserfall (bedeutet in Cree so etwas wie: "Es ist großartig!"), der mit seinen gut 250 Metern Fallhöhe die Niagarafälle locker in den Schatten stellt, auch wenn deren Wassermenge etwa 2000 Mal höher ist. Man kann ganz nah heran und sich von der Gischt durchnässen lassen oder setzt sich in einen der "Red-Chairs" in sicherer Entfernung, um die Anmut des Wassers zu bewundern. Der Kanada-Park-Dachverband hat sich diesen schönen Tourismus-Gag mit den roten Stühlen einfallen lassen. An besonders schönen Orten werden die sogenannten "Red-Chairs" aufgestellt, um zum Verweilen und zum Genießen einzuladen.

Bei unseren Touren zu den sich nach und nach zurückziehenden Gletschern konnten wir so deutlich wie kaum woanders sehen, wie  unglaubliche Mengen Gestein zu Geröll gemahlen und zu zig Meter hohen Seitenmoränen aufgeschoben wurden (hat dieses Thema damals in der Schule eigentlich irgend jemanden interessiert?). Man meint, hier seien überdimensionale Caterpillar am Werk gewesen.

Auf eine der schönsten Gebirgsstraßen der Welt, den "Icefields-Parkway" in Richtung Jasper nach Norden freuen wir uns als nächstes.


Von Beeren und Bären

Bei unseren Wanderungen sind uns immer wieder verlockende Beerenfrüchte aufgefallen, die wir aus Europa nicht kennen. Beim nächsten Wifi haben wir also Kanada's Google befragt und einen Wilfrüchteführer als pdf für's Handy heruntergeladen. Neben den bekannten Waldhimbeeren und den Heidelbeeren, haben wir unser Nahrungsangebot auf die leicht säuerliche Thimbleberry, die Huckleberry und die kanadische Wild-Blaubeere erweitern können. Wandern kann richtig lecker sein!

Aber im Wald gibt es noch mehr Bewohner, die den leckeren Beeren nachstellen. Ein ausgewachsener Grizzly benötigt für das Anfressen einer richtigen Plautze für den Winterschlaf pro Tag etwa 35000 Kilokalorien, also gut zehnmal soviel wie ein ausgewachsenes Männchen der Gattung Homo Sapiens. Viele Wege und Bereiche nahe der Orte sind in dieser Zeit  abgesperrt oder mit entsprechenden Warnschildern versehen. Negative Schlagzeilen schaden dem Tourismus (und dem Betroffenen). Allerdings halten sich nicht alle Bären an die Schilder. In diesem Jahr gibt es eine besonders reiche Ernte bis herunter in die Täler. Und die Bären wissen das. In Canmore sind wir recht nahe der Ortschaft auf einem Trail einem Schwarzbären begegnet. Der hatte einfach das Flatterband übersehen! In entlegeneren Ecken gibt es Empfehlungen (Missachtung kostenlos) oder Vorschriften (Missachtung bis 5000$) für das Verhalten auf solchen Wegen, zum Beispiel das Wandern in Gruppen zu mindestens vier Personen oder das obligatorische Mitführen von "Baer-Spray". Baer-Spray ist dabei nicht etwa eine Art Deodorant, das einen für den Bären unattraktiv oder gar unsichtbar macht, sondern ein kleiner Druckbehälter, dessen Einsatz im absoluten Notfall auf eine Distanz von 5-8 Metern ausgelegt ist und eine reizende Substanz enthält (Normales Pfferspray reicht nicht!!!). Wenn man sich aber vernünftig verhält, sollte der Gebrauch nur im allerseltensten Fall erforderlich sein. Wichtig ist es vor allem, die Augen offen zu halten. Wenn sich an einem windstillen Tag irgendwo im Wald Büsche bewegen, sollte man schon mal etwas genauer hinsehen. Auch sollte man wissen, welche Nahrung die Bären bervorzugen, um ihr Ziel - also die dicke Plautze - zu erreichen. Das ist derzeit vor allem die Buffaloberry und bei den Grizzlies Wurzeln bestimmter Pflanzen. Ein Bär hält sich seltener da auf, wo es nichts zu fressen gibt. Und beim Fressen soll man ihn auch besser nicht stören! Bären lieben keine Überraschungen, und schon gar nicht beim Fressen, also sollte man sich auf seinem Weg als Mensch durch Geräusche erkennbar machen. Mancher bevorzug ein angeregtes Gespräch, Andere hängen sich eine Bärenglöckchen ans Bein oder eine klappernde Bierdose an den Rucksack, wieder Andere laufen klatschend oder pfeifend durch den Wald. Jeder macht sich also auf seine Weise zum Affen. Schwierig könnte es werden, wenn man zwischen eine Bärin und ihre Jungen kommt. Ist aber auch verständlich, oder? In den Bergen, kann man den Bären auch schon mal am Pfeifen der Murmeltiere und Erdhörnchen erkennen. So haben wir bei einer Bergwanderung einen Grizzly gesehen, der gerade in der Gegenrichtung unterwegs war und konnten genau verfolgen, wie die Nager sich gegenseitig durch ihr Pfeifen warnen.
Dann bekamen wir noch von Mike aus dem weiter nördlichen Ort Smithers noch den Tipp, eine kleine Druckluftfanfare mitzunehmen. Das soll sehr gut wirken, auch bei aufdringlichen Elchen. Um Smithers herum gibt es wohl sehr viel Berührung mit "Wildlife". Werden wir uns zulegen.
Bisher waren unsere Bärenbegegnungen beiderseitig vollkommen friedlich, sowohl bei Schwarzbären als auch bei Grizzlies. Die Tiere machten entweder einen scheuen Eindruck oder haben uns nicht sonderlich zur Kenntnis genommen. Schön, wenn das so bleibt. Sicher kann man allerdings nie gehen, denn jeder Jeck ist schließlich anders, oder? Der Slogan hier lautet: "Keep the Wild in Wildlife!", und das wollen wir auch! Traurige Bärenschicksale gibt es leider auch zu vermelden. Ein Bär, als "Jack" hier in den Medien bekannt, hatte sich auf Einbrüche in Autos und und Geschäfte spezialisiert, wurde mehrfach wieder ausgewildert und hat immer wieder die Nähe zu Menschen gesucht, weil er es so kennen gelernt hat. Er musste letztlich getötet werden! Die Ranger arbeiten diesbezüglich sehr intensiv in Sachen Aufklärung. Auf den Campgrounds werden die früchtetragenden Buffaloberries entfernt, damit sich Bären nicht so oft dorthin "verirren" wie früher. Den Menschen bringt man das "Clean Camping" bei.


Pacific Railway

Die Geschichte der Rocky Mountains ist auch eine Geschichte der "Canadian Pacific Railway" (CPR). Beim Beitritt British Columbias spielte der Bau der Eisenbahn durch die Rockies eine wesentliche Rolle. Der "Kicking-Horse-Pass" sollte letztlich der Übergang werden, allerding gab es zunächst erhebliche Probleme. Für eine Eisenbahn waren die 4,5% Steigung eine echte Herausforderung, die nur mit mehreren Dampfloks bewältigt werden konnte, bei der damaligen Abfehrt wird von einem Alptraum und vielen Entgleisungen gesprochen.
Doch dann wurden mit schweizer Hilfe am Kicking Horse Pass zwei Spiraltunnel gebaut, so dass die über drei Kilometer (!!!) langen Züge bei einer Steigung von nur 2,25% entsprechend langsamer an Höhe gewinnen und sicher fehren können. Im Wald hier findet man sogar noch das Wrack einer alten Dampflok, die zum Tunnelbau 1907/08 eingesetzt wurde. Es ist absolut beeindruckend, wenn derselbe drei Kilometer lange Zug an drei völlig verschiedenen Stellen der Landschaft auftaucht. Die beiden Loks vorne ziehen gerade unweit vorbei, der Mittelteil verlässt gerade den Spiraltunnel und die Lok am Ende des Zuges schiebt erst nach etlichen Minuten den letzten Wagen in den Tunnel hinein!
In Field kann man sich den Kicking Horse Pass als Modelleisenbahnlandschaft nachgebaut ansehen. Dort sind wir auch über die gemeinsame, alte Trasse von Eisenbahn und Passstraße gelaufen. Heute die "Kicking Horse Avenue". Da bekommt man ein Gefühl für die konstanten 4,5%.
Die CPR hat hier auch den Tourismus zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ordentlich voran getrieben und etliche Wege und Unterkünfte angelegt. Auch wurden für den feinen englischen Besuch Teehäuser in den Bergen gebaut. Heute noch wird dort Tee ausgeschenkt. Aus PAPPBECHERN!!!


Geschichten am Wegesrand

Was die hier im Nationalpark ja besonders gut beherrschen, sind die tollen Geschichten, die zu jedem See, Weg oder Wasserfall erzählt werden. Bei uns ist man ja gewohnt, dass dransteht wie hoch, wie tief und wie breit das Teil ist. Vielleicht noch, bis wann hier Schnee liegt oder welche Tiere hier leben. Anders hier in den kanadischen Rockies. Hier wird zu jedem Wasserloch eine rührende oder heldenhafte Geschichte erzählt, und die geht immer ungefähr so:
"Als an einem sonnigen Tag des Jahres 1892 der erst 19-jährige Jack Rich in diese wunderbare Gegend kam, hatte er die geniale Idee, diesen Ort für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und so schuf er an nur einem Nachmittag binnen weniger Stunden mit gezielten Axthieben diese wundervolle Aussichtsplattform."
Manchmal ist auch der Postbote der Held, und manchmal gibt es einen rührenden Brief eines jungen Mädchens. Aber immer wird man hier gut unterhalten (übrigens ist auch hier das Lesen solcher Tafeln absolut freiwillig ;-) )


Icefields Parkway und Jasper (vom 14.08.2016)

Nicht umsonst wird der "Icefields Parkway" so sehr gelobt. Auf der ganzen 230 Kilometer langen Strecke fährt man zwischen Felstürmen auf der Ostseite und Gletscher tragenden Bergkämmen auf der Westseite hindurch. Die vielen klaren Bäche und Wasserfälle speisen die grün-blauen Seen mit dem kalten Gletscherwasser. die manchmal etwas  milchige Farbe des Wassers kommt durch das feine Gesteinsmehl, das die Gletscher zermahlen. Nur schlecht lässt sich die Fahrt über den Parkway in Bildern festhalten.
Campingplätze sind jetzt in der Saison entweder voll oder etwas abgelegen mit Selbstregistrierung und Plumsklo ausgestattet. Frischwasser gibt es gelegentlich, eine Dusche muss man mitbringen. Dafür tragen die dann auch vielversprechende namen wie "Mosquito Creek" oder "Silverhorn Creek", allerdings ohne Moskitos. Das ist hier in den Rockies übrigens besonders angenehm - fast keine Mücken!
Am Silverhorn Creek bekommen wir einen besonderen Platz, gleich an einem Paar roter Stühle mit Traumaussicht, in denen wir das Frühstück einnehmen.
Es ist Hauptreisezeit und so muss man in der Nähe der beliebten Ortschaften mit so genannten Overflow-Campingplätzen vorlieb nehmen. Allerdings fanden wir die bisweilen gar nicht so schlecht, wenn man weitgehend autark unterwegs ist.
Einkaufen sollte man bei einer Reise durch die kanadischen Rockies spätestens in Canmore oder wieder in Jasper. Am River Crossing - so ziemlich in der Mitte der Route - wollte die (einzige) Grocery für das, was man hier in Kanada "Brot" nennt und sich auf wenige Zentimeter Länge zusammendrücken lässt 8 Doller haben. Wir backen lieber selbst!
Beim Wandern hatten wir tolle Ausblicke auf Gletscher wie Saskatchwan oder Atabasca, die aus dem großen Columbia-Icefield gespeist werden.
Am direkt am Atabasca-Gletscher gelegenen Icefield-Center werden Touristen mit Allrad-Bussen im Minutentakt über einen geschobene Piste auf den Gletscher gefahren. Wir fanden die historischen Aufnahmen über die Anfänge des Bergtourismus in der Ausstellung dagegen sehr interessant.
Jasper ist der nördliche Ort des Parkways und besitzt eine angenehme Atmosphäre, anders als Lake Luise oder Banff. Es gibt hier eine weitere Bahnverbindung durch die Berge und hier verläuft die Yellowhead-Route, Highway 16, der auch als nördliche Variante des Trans-Canada-Highway ausgewiesen wird.
Von Jasper aus ist auch der Maligne-Canyon gut zu erreichen. Das Wasser sucht sich hier vom höher gelegene Medicine Lake aus seinen Weg auf besondere Weise. In einer langen, tiefen Schlucht und durch ein verzweigtes, unterirdisches Karstsystem.

Morgen verlassen wir erstmal den Jasper-Nationalpark und machen uns auf nach Norden.